Reiseberichte und Meinung von Lesern

Travel stories and opinions of readers

22. Oktober 2000:

Mein Name ist Jochen Binikowski, Jahrgang 1953, wohnhaft in Hamburg. Seit 1980 lasse ich auf den Philippinen Buddelschiffe und andere Geschenkartikel produzieren, im Heimatort meiner Frau Eda, der Gemeinde Tigaon, Camarines Sur in Bicol.


Teil 1: Bewertung des Lebensstandards

Volkswirte, Banker, Politiker, Journalisten etc. bewerten den Lebensstandard eines Landes gerne nach dem Bruttosozialprodukt (BSP). Demnach muß der Deutsche mindestens 15 mal so "reich" sein wie der Filipino. Das ist aber meiner Meinung nach realitätsfern. Es ist nämlich nur eine Sache der Betrachtung und der Wechselkurse zum US Dollar. So leisteten z.B. Lehrer, Busfahrer, Krankenschwestern, IT Spezialisten etc. auf den Philippinen ein eher höheres Arbeitspensum und Produktivität als vergleichbare Kollegen in Deutschland. Dennoch geht ihre Arbeitsleistung nur mit ca. 1/15 in das BSP ein.

Das bedeutet keineswegs, dass der Deutsche einen 15 mal so hohen Lebensstandard hat. Denn der Filipino hat auch wesentlich weniger Ausgaben für Miete, Transport, Steuern, Versicherung, Nahrungsmittel, Serviceleistungen etc. Entscheidend ist nur, was nach Abzug der Fixkosten zum Leben übrig bleibt. Und da stellt sich bei näherer Betrachtung heraus, dass weder hier noch da ein Durchschnitts-Alleinverdiener eine mehrköpfige Familie vernünftig ernähren kann, die Frauen und teilweise auch die Kinder mitverdienen müssen! In Deutschland wird diese Versorgungslücke durch Kindergeld, Wohngeld, Sozialhilfe etc. abgemildert. Auf den Philippinen hilft man sich mit Familienzusammenhalt und Erfindungsreichtum im täglichen Überlebenskampf.

Teil 2: Ursachen des Bewertungsunterschiedes, es sind jeweils nur einige Beispiele von vielen erwähnt:

Wichtigste Gründe für die so drastisch unterschiedliche volkswirtschaftliche Bewertung des BSP zwischen den Philippinen und Deutschland:

A. Der anteilige Stundenlohn an der Produktion eines Mercedes Autos im Vergleich zur Herstellung tropischer Exportprodukte wie z.B. Palmöl ist nach Weltmarktpreisen ca. 15 mal höher. Gut für die Deutschen, die billig an Rohstoffe kommen, schlecht für die Filipinos, die teuer für Importprodukte zahlen müssen. Das ist das Ergebnis der ungeregelten internationalen Marktwirtschaft, wo nur die Profite weniger Spekulanten und Grosskonzerne zählen, die buchstäblich über Leichen gehen und dafür noch den Nobelpreis bekommen.

B: Mangelnde Infrastruktur und Ausbildung auf den Philippinen.

Das fängt mit dem Strassen-Netz an. Wer über ländliche Gebiete fliegt wird leicht feststellen, dass es kaum Strassen gibt. Der Löwenanteil der Farmen kann nur per Trampelpfad erreicht werden, keine Chance für Traktoren etc. Und nach der Ernte kaum Möglichkeiten zur Trocknung und Weiterverarbeitung der (geringen) Ausbeute, meist wird die Ernte dann an (chinesische) Aufkäufer verramscht.

C: Durch ewigen Sommer fehlende Vorsorge-Mentalität der Filipinos

Hätten wir in Deutschland auch 365 Tage im Jahr Hochsommer-Temperaturen, wäre die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft wahrscheinlich erheblich niedriger und der Teil der Volkswirtschaft, der sich mit Vorsorge- und Heizungsproblemen beschäftigt, würde fast erstzlos wegfallen.

D: Eklatanter Kapitalmangel der philippinischen Unternehmer und Farmer

Die meisten philippinischen Kleinbauern sind bei Kredithaien hoffnungslos verschuldet. Damit steht nicht genügend Kapital für Dünger etc. zur Verfügung, das Ergebnis sind Ernteerträge weit unterhalb des Möglichen Und damit entsprechend weniger Umsatz, ein Teufelskreis.

E: Übermässige Zentralisierung auf den Philippinen

Fast jede philippinische Familie hat Kinder, die studieren. Die Studenten müssen aber alle zum Staatsexamen für ca. 6 Monate nach Manila. Das ist für die Familien teuer und dazu noch ein wichtiger Grund für die Übervölkerung von Manila. Weiterhin sind fast alle renomierten Universitäten in und um Manila angesiedelt.

F: Über das Thema Korruption möchte ich mich als ehemaliger Kohl-Unterthan lieber nicht auslassen...

Lösungsmöglichkeiten

Seit nunmehr 20 Jahren Philippinen-Erfahrung frage ich mich, warum noch niemand auf einige naheliegende Möglichkeiten zur Verbesserung des BSP auf den Philippinen gekommen ist:

A: Bildung wirkungsvoller Kartelle von Rohstoff-Produzenten nach OPEC-Vorbild

B: Statt Entwicklungshilfegelder über die Ministerien etc. laufen zu lassen, wo der Großteil in neue Pajeros und Aircons für die Beamten und Manager versickert, lieber das Geld aufteilen und in bar an die Farmer und Kleinunternehmen auszahlen. Pro Hektar 20.000 Peso einmalige Hilfe cash down und die Kredithaie wären arbeitslos und die Farmer würden ihre Erträge vervielfachen. Sicher nicht alle, denn so mancher würde das Geld beim Hahnenkampf etc. "investieren". Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass ca. 80% der Begünstigten das Kapital sinnvoll investieren würden.

C: Einführung eines halbwegs fairen und effektiven Steuersystems, so dass auch die Millionäre und Milliardäre etwas zahlen müssen.

D: Ausbau der Infrastruktur, insbesondere des Strassennetzes in den Provinzen.

E: Dezentralisiertes Schulsystem

Also, diese Ausführungen sind keinesfalls komplett, es gibt noch so viel zu tun. Aber sie sollen ein Denkanstoss darstellen, um vieleicht durch unkonventionelle Maßnahmen ungeahnte positive Entwicklungen in Gang zu setzen. Zu unser aller Wohl.

Zu meiner Wenigkeit:

Mein Name ist Jochen Binikowski, Jahrgang 1953, wohnhaft in Hamburg. Seit 1980 lasse ich auf den Philippinen Buddelschiffe und andere Geschenkartikel produzieren, im Heimatort meiner Frau Eda, der Gemeinde Tigaon, Camarines Sur in Bicol. Seitdem bin ich im Schnitt 2 Mal pro Jahr vor Ort und habe so manche Krise überwunden. Ob wilder KMU Streik 1988, Erdbeben, EDSA Revolution 1986, Taifun Loleng 1998, alles live miterlebt und stets gestärkt herausgegangen.

Ich bin gerne bereit, meine Erfahrungen weiterzugeben.

http://www.buddel.de

E-mail: Binikowski@aol.com

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